Heute räume ich mit einem Vorurteil auf, so eine Typberatung sei doch „oberflächlich“ und ziele nur auf das Äußere ab und „wer braucht denn so etwas“…
Ich berichte von der Netzwerktagung meines Typberater-Netzwerks Corporate Color vom 21.-23.04.2023. Nachhaltigkeit in der Mode wird auch für uns Typberaterinnen in unseren Beratungen immer wichtiger. So lag es nahe, dass beim jährlichen Netzwerktreffen von CorporateColor, welches dieses Jahr gleichzeitig auch das 20.-jährige Jubiläum war, das Thema Nachhaltigkeit in der Mode, Upcycling und Second-Hand-Mode war. Petra Waldminghaus ist Gründerin dieses großartigen Netzwerkes.
Austausch über Nachhaltigkeit, Second-Hand, Vintage und soziale Projekte
Gestartet wurde Freitags im relativ lockeren Rahmen mit Vorstellungsrunde, Gang durch die Altstadt und Austausch unter Kolleginnen.
Am Tag 2 erfuhren wir Beraterinnen sehr viel über die Herstellung nachhaltiger Textilien, verschiedener Gütesiegel, Arbeitsbedingungen und es gab ausführliche Berichte darüber, woran man ein Label erkennen kann, welches wirklich nachhaltige Mode produziert. Ein besonderer Dank geht hierbei an meine Kolleginnen Sandra Garvens und Judith Eufinger.
Wann gilt ein Kleidungsstück als nachhaltig?
Nachhaltigkeit in der Kleidung ist laut Definition, wenn mindestens 30 % Naturfasern in einem Textilprodukt enthalten sind. Ein Kleidungsstück gilt selbst dann als nachhaltig hergestellt, wenn bei seiner Produktion enorme Mengen Wasser bei der Herstellung verwendet werden. Hier lohnt es sich also, sich die einzelnen Labels genauer anzusehen. Leider landet bei der Herstellung von Textilien immer noch viel Mikroplastik in den Meeren.
Schon gewusst? Wie ist dein Wissen über nachhaltige Mode?
Bei biologisch angebauter Baumwolle sind Dünger oder Gentechnik verboten, das Grundwasser wird nicht belastet, es dürfen keine Kinder arbeiten. Bei der biologisch zertifizierten Baumwolle handelt es sich um ein anderes Saatgut als herkömmliche Baumwolle, welches sich selbst vermehrt.
Leider ist Bio-Baumwolle nicht immer zertifiziert und trotzdem mit Chemikalien belastet.
Es gibt aber auch unbedenkliche Materialien für die Textilherstellung, wie beispielsweise Hanf (reißfest, langlebig und gut einfärbbar), Leinen, Brennnessel, Bananenfasern (Abaca) und Manila-Hanf (wird erst zu Papier verarbeitet, dann in Streifen geschnitten und zu Garn gesponnen. Es handelt sich um ein altes Handwerk aus Japan) Kapok ist die nachhaltigste Faser überhaupt. 4 davon hergestellte T-Shirts sparen 4000 l Wasser im Gegensatz zur herkömmlichen Baumwolle.
Manche Firmen machen es schon besser
Meine Kolleginnen stellten Siegel, Materialien und Labels vor, die es besser machen – und die wir Typberaterinnen in unseren Beratungen mit den Kundinnen und Kunden garantiert ansprechen werden.
Besonders interessant fand ich diese Schuhe:
Es handelt sich um wasserfeste Sneakers, die zu 100 % aus recycelten PET-Flaschen hergestellt wurden.
Was macht den Unterschied der Textilien aus? Woran erkenne ich, was gut ist?
Bei vielen Textilien handelt es sich um Mischgewebe.
Viskose versus Modal/Tencel/ Lyocell:
Es handelt sich hierbei um Zellulosefasern, also Chemiefasern. Damit einher geht immer eine Verarbeitung mit Lösungsmitteln.
Viskose aus regenerierter Cellulose wird mit Chemie aufbereitet für Fasern/Garn verwendet. Der Hauptanteil der Fertigung liegt in Indien. Hier bestehen sehr oft eine Umweltbelastung und Gefährdung für die Arbeiter, da diese ohne Schutzkleidung direkt mit den Chemikalien in Berührung kommen.
Als nachhaltige Viskose bezeichnet man Lyocell, Lenpur und Tencel. Von den aufgezählten ist Tencel die nachhaltigste Lyocell-Faser (Modal-Faser). Gut zu wissen: Modal kommt immer von der Buche.
Bei Cupro handelt es sich um Kupferseide, also eine vegane Seide.
Nachhaltigkeit bei Leder
Leider wird zumeist bei der Herstellung von Leder für Schuhen und Handtaschen nicht auf Nachhaltigkeit geachtet.
Das Leder für Schuhe, Handtaschen kommt sehr oft aus China und stammt von Hunden, Kängurus, Seehunden… die Aufzählung ist nicht komplett.
„Made in China“ bedeutet lediglich, es ist das Fertigungsland und gibt keinen Hinweis darüber, woher das Leder wirklich stammt.
Ist veganes Leder wirklich die Lösung?
Natürlich gibt es „veganes Leder“ als Alternativen. Aber wirklich nachhaltig sind die oft auch nicht. So wird die Gerber-Akazie samt einiger seltener Tropenbäumen verarbeitet.
Für Olivenleder werden die Blätter der Olivenernte gegerbt. Somit ist dies schonender als die herkömmliche Gerbsäure für Leder und bekommt daher die Bezeichnung „Wet green“.
Herkömmliches veganes Leder besteht sehr oft aus Polyuretat/Polyester. Was mit „vegan“ toll klingt, tut jedoch nix für die Umwelt! Dafür hält es länger als veganes Leder aus Pflanzen, (wie z. B. aus Ananasleder).
Und auch veganes Leder aus beispielsweise der Annanas, der Korkeiche, oder Bambus, wird sehr oft mit PU gemischt als Unterflächen für Textilien.
Meine Kolleginnen führten uns Typberaterinnen durch den Dschungel von nachhaltigen Labeln und vermeintlich nachhaltigen Firmen. Sie stellten uns verschiedene Siegel und Unternehmen vor.
Fazit:
100% nachhaltig in der Mode gibt es in der Regel nicht, außer im Luxussegment.
In der vorgestellten Siegel-Übersicht haben wir ebenfalls gelernt:
So steht „Greenwashing“ laut Duden für „den Versuch von Firmen nachhaltiger zu produzieren. Vielen Firmen wird gegen eine Geldspende ein Siegel verliehen und damit dann das Image verbessert.
So sind „bio“, „öko“ oder „organic conscious“ sind keine geschützten Begriffe, sie kann jede Firma benutzen.
Nur zertifizierte Siegel stehen für wirklich nachhaltige Mode:
Die nachfolgende Liste enthält kein Recht auf Vollständigkeit und soll darlegen, worauf wir Beraterinnen und Verbraucher achten können:
GOTS (global organic Textil standard): Hoher Standard, wird von unabhängigen Kontrolleuren überwacht.
IVN Best-Naturtextil ist das strengte Öko-Label für Leder und Naturleder
Textilien mit dem Siegel der Fair wear-Foundation garantieren den Arbeiterinnen und Arbeitern faire Arbeitsbedingungen. Mittlerweile gehören dieser bereits 130 Marken an.
Fairtrade für Baumwolle: Diese Lizenz kann man kaufen.
OEKO-Tex:
Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss von 98 Prüfungsinstituten.
Blauer Engel:
Vom Bundesumweltministerium: Diese Produkte belasten die Umwelt weniger als andere Produkte.
EU-Eco Label:
Hierbei handelt es sich um ein freiwilliges Öko- Label der EU.
Grüner Knopf:
Ein staatliches Siegel für nachhaltige Textilien. Es wird jedoch nicht unabhängig kontrolliert.
Im Rahmenprogramm des Netzwerktreffens gab es noch mehr Input und Infos
m Rahmenprogramm des Netzwerktreffens gab es noch mehr Input und Infos
Unter der Leitung meiner Kollegin Edith Plegge wurden Modepuppen von Kollegin Sabine Wolmershäuser dekoriert mit nachhaltiger Mode und es gab eine Modenschau zum Thema Upcycling, Nachhaltigkeit, Second Hand und echt Vintage.
Im Tag 3 des Netzwerktreffens folgten noch interessante Einblicke über die Arbeitsbedingungen in Bangladesh und das verheerende Unglück vor 10 Jahren.
Meine Kolleginnen Rebekka Richter und Birgit Gottwald stellten verschiedene soziale Projekte vor. Hierzu gibt es bereits einen tollen Blogpost meines Typberater-Netzwerks CorporateColor und ein anschauliches Video von Petra Waldminghaus.
Nachdenkliche Stimmung
Es gab ein von meiner Kollegin Martina Rosemeier aufgezeichnetes Interview mit Nathalie Schaller vom nachhaltigen Modelabel eyd. Frau Schaller hat mit Frauen in der Zwangsprostitution gesprochen und war erschüttert von der Perspektivlosigkeit der Frauen. Da die Modeindustrie von Ausbeutung geprägt ist, kam ihr die Idee, ein eigenes Modelabel zu gründen, das fair und ethisch arbeitet. Das Label eyd steht für empowerd your dressmaker. Die Textilien werden in Indien, Nepal und im Schwarzwald gefertigt. Im Etikett ist sichtbar, welche Näherin das Teil gefertigt hat. Auf der Homepage kann man dann mehr über die betreffende Frau nachlesen.
Wer sich mehr für das Thema interessiert, dem empfehle ich das Buch: „Ware Mensch“
Worauf wir Typberaterinnen in unseren Beratungen zum Thema Nachhaltigkeit achten können und werden, berichte ich im nächsten Blogpost.